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Religiöse Toleranz erleidet Rückschlag. Über die Hintergründe
ls vor einiger Zeit der „Kurier“ den ÖVP-Sicherheitssprecher und Abgeordneten Paul Kiss in einem Artikel zitierte (Kiss drückte öffentlich seine Loyalität für seinen langjährigen Freund und – nun ehemaligen – ÖVP-Gemeinderat Alfred Szczepanski aus), ahnte keiner, was noch folgen sollte. Kiss, der kein Scientologe ist, wurde auch dahingehend zitiert, daß er die irrationale Propagandakampagne gegen Scientology durch Familienminister Martin Bartenstein kritisierte.
Bartenstein und Parteifreunde sahen dies anscheinend als großartige Gelegenheit, weiter im Windschatten Deutschlands zu stehen, dem Ursprung der nun auch in Österreich laufenden „Anti-Religions-Hysterie“.
Sie verlangten den sofortigen Rücktritt des seit mehr als 10 Jahren in der ÖVP tätigen Gemeinderates und Scientologen Alfred Szczepanski. Eine Forderung, die an die dunkelsten Zeiten der Inquisition erinnerte. Sogar so unterschiedliche Medien wie „Profil“, „Täglich Alles“, „Kärntner Tageszeitung“ oder „Standard“ waren sich einig: Die „Sekten“-Hetze hat ihren geschmacklosen Höhepunkt erreicht.
Allerdings wurde das diskriminierende und fanatische Verhalten der „wehrhaften Christen“ der ÖVP in der Öffentlichkeit jedoch mit Befremden aufgenommen bzw. ignoriert. Es leuchtete niemandem ein, warum ein Mann wie Alfred Szczepanski, der 10 Jahre für die ÖVP auf lokaler Ebene höchst erfolgreich tätig war und als helfender Mensch bekannt ist, die ÖVP nun plötzlich verlassen mußte.
Religiöse Intoleranz hatte jedoch nie etwas mit Vernunft zu tun. Dieses Vorkommnis brachte viele Tatsachen über Bartenstein und seine Propagandakampagne ans Licht, die schon lange gelüftet werden mußten.
“Valentinstag“
„Sie werden beschuldigt, Personal anzustellen, das Gruppen der Katholischen Kirche angehört“, sagte ein Moderator von Radio Niederösterreich zu Bartenstein – und bezieht sich dabei auf die Autorenschaft der Bartensteinschen „Sekten“-Broschüre, die vom Familienministerium herausgegeben wurde und der Beginn der Propagandakampagne war.
Das Stammeln, das diese harmlose Andeutung bei Bartenstein hervorbrachte, war fast komisch. Ohne wirklich dazu Stellung zu nehmen, meinte er: „Wir haben ... äh ... uns alles, was an Expertise in Österreich äh ... vorhanden ist zum Thema Sekten, versucht äh ..., ja ..., wir haben versucht diese Damen und Herren zu gewinnen, äh ..., für diese Broschüre, äh ... das ist in vielen Fällen auch gelungen ... aber es bleibt dabei, die Autoren werden nicht genannt ...“
Warum verschweigt Bartenstein der Öffentlichkeit die Identität der Autoren? Wissen doch die betroffenen Gemeinschaften nur allzugut, wer an der Erstellung der Broschüre maßgeblich beteiligt war.
Der Grund, warum es Bartenstein so schwerfiel einzuräumen, daß die katholische „Sektenbeauftragte“ Friederike Valentin maßgeblich an der Zusammenstellung der Broschüre beteiligt war, ist klar. Wegen des Gleichheitsprinzips ist es höchst fragwürdig, wenn eine etablierte Kirche Hand in Hand mit der Regierung daran arbeitet, Konfessionen zu diffamieren, die als religiöse Konkurrenz betrachtet werden.
Katholische Kontrolle
Sogar Kritiker von neuen Religionen sind mit der Kontrolle durch „Sektenreferenten“ der etablierten Kirchen nicht einverstanden. Der Grüne Parlamentarier Karl Öllinger meinte, das sei, wie „wenn Coca-Cola Pepsi kontrolliert.“
„Ein gravierender Unterschied zwischen den staatlich anerkannten ,Großsekten‘ und etwa den nicht anerkannten ,Kleinsekten‘ à la Sahaya Yoga muß erst gefunden werden“, sagte Dr. Alfred Schierlbauer, Erziehungswissenschafter der Universität Wien.
Und doch scheint man in der allgemeinen Sektenhysterie zu sehen, daß genau diese klerikalen „Sektenreferenten“ – in Österreich wie in Deutschland – die Hauptquelle der Gerüchte und des versprühten Giftes sind.
Valentins Kampf
Seit 1971 leitet die katholische „Sektenreferentin“ Friederike Valentin das „Referat für Weltanschauungsfragen“ der Erzdiözese Wien. Seit dieser Zeit sammelt sie in geheimdienstlicher Manier jegliche Informationen zusammen, die sie für ihre „Aufklärungskampagnen“ gegen jene Bekenntnisse brauchen kann, von denen sie anscheinend glaubt, daß sie eine Bedrohung des Monopols ihrer eigenen Religion darstellen.
In den frühen Jahren hatte Valentin allerdings das Problem, daß es da tatsächlich keine wirklichen Probleme mit neuen Religionen gab. Im August 1977 rief Valentin mit dem katholischen Priester Johannes Nedbal die „kirchlich unabhängige“ Vereinigung „Verein zur Wahrung der Geistigen Freiheit“ ins Leben. Um die Thematik explosiver und emotionaler zu machen, wurde diese Vereinigung als „Elterninitiative“ präsentiert, die sich des „Problems der Jugendreligionen“ annehmen würde. Damit machte Valentin es möglich, neue Religionen nicht nur von kirchlicher Basis aus zu bekämpfen.
Nach einigen Jahren des Etablierens verließen Valentin und der Priester Nedbal die Vereinigung. Heute agiert dieser Verein unter dem Namen „Gesellschaft gegen Sekten- und Kultgefahren“ (GSK) und wirbt damit, die „einzige weder partei- noch konfessionsgebundene Institution Österreichs“ zu sein, die sich des „Problems“ der neuen Religionen „annimmt“.
Daß dieses „einzige nicht konfessionsgebundene Institut“ Österreichs auch heute noch Hand in Hand mit den kirchlichen „Sektenreferenten“ arbeitet, wird zwar nicht gerne gesagt, ist aber auch kein Geheimnis. Werden doch seit Jahren „Informationsveranstaltungen“ im ganzen Land abgehalten, wobei kirchliche Sektenbeauftragte und Mitglieder der GSK gemeinsam auftreten.
„Weltpriester“
Es scheint, als habe Valentin schon immer eine etwas seltsame Sicht der Dinge gehabt. Im Jahre 1975 schrieb sie eine Dissertation für den theologischen Doktorgrad über den „Weltpriester, Volksprediger und Schriftsteller Pater Adolf Innerkofler“. Offensichtlich war sie von Innerkofler tief beeindruckt. „Geprägt von der tiefen Gläubigkeit seiner Heimat, bemühte sich Innerkofler um eine Verchristlichung der sich ständig entchristlichenden Gesellschaft; die Früchte dieser Bestrebungen sind teilweise heute noch sichtbar. Das Lebenswerk des Redemptoristen und späteren Weltpriesters wurde bis jetzt nur in einer kleinen Broschüre anläßlich seines 60. Geburtstags gewürdigt“, schrieb Valentin im Vorwort in ihrer Dissertation.
Valentins Resümee über Innerkofler: Innerkofler war „bezüglich der Jugend ein guter Psychologe, der vor allem Burschen in der rechten Weise ansprechen konnte ...“ und „durch seine Originalität, die tiefe Frömmigkeit und seine Hilfsbereitschaft konnte er zahlreiche Menschen gewinnen und sie im positiven Sinn – im Geist der reinen Handlung, des im Alltag verwirklichten Christentums – prägen.“
Antisemit Innerkofler
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Was dem Steuerzahler die fehlgeleitete „Verteidigung der alteingesessenen Kirchen“ kostet: 5 Millionen Schilling pro Jahr.
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In der Tat war Innerkofler ein Antisemit, der jede Gelegenheit nützte, um gegen Juden zu hetzen. Wie sogar Valentin betont, war Innerkofler nicht Antisemit aus rassistischen sondern aus „religiösen Gründen“. In den dreißiger Jahren war Innerkofler von dem Nazi-Propaganda-Blatt „Der Stürmer“ aufgefordert worden, der „Stürmer-Kampfgemeinschaft“ beizutreten und für „die Befreiung Deutschösterreichs vom Weltjudentum“ zu kämpfen. Er antwortete sofort: „Herzlich danke ich für das Schreiben vom 26. d. M. Seit meiner Jugend schon bis heute bin ich ein überzeugter Antisemit und habe zu gewissen Zeiten oft keine Schulstunde, keinen Vortrag, keine Predigt gehalten, ohne gegen die Juden zu reden, so daß ich darob mehrmals zur Verantwortung gezogen worden bin. Ich freue mich daher, daß nun endlich der jüdische Druck kräftig gelockert wird.“ Innerkofler weiter: „Eines aber werde ich als Geistlicher tun, unter den christlichen arischen Geschäftsleuten die auch vielfach bei diesen eingerissenen jüdischen Praktiken zu bekämpfen. So war es auch vor kurzem, als ich mit Entrüstung bemerken mußte: ,Wenn es Juden wären, könnten man es sich erklären, da es aber Arier sind, machen sie es saublöd.’“
Kirchenaustritte
Nicht nur die katholischen, sondern auch die evangelischen „Sektenbeauftragten“ reklamieren für sich das Recht, neue Religionen „zu kontrollieren“. Vor einiger Zeit nahm eine Mitarbeiterin der Scientology Kirche an einer „Informationsveranstaltung“ teil, bei der der evangelische Sektenbeauftragte, Pastor Sepp Lagger, der evangelischen Diözese Wien als „Experte“ auftrat. Während der Veranstaltung wurde der gute Mann nicht müde, immer wieder aufs neue zu betonen, daß der Abgang von Mitgliedern seiner Kirche und die Furcht vor der Konkurrenz der neuen Religionen nicht die Gründe seien, warum die Sektenbeauftragten der etablierten Kirchen so vehement gegen die religiöse Konkurrenz kämpfen.
Nach der Veranstaltung gingen Pastor Lagger, die Scientologin und andere Personen in den Augustinerkeller in Wien. Nach einigen Gläschen Wein ließ Pastor Lagger die soziale Maske fallen und begann, der Scientologin sein Herz auszuschütten. „Ich muß Ihnen sagen, daß das natürlich mit dem Abgang unserer Kirchenmitglieder zu tun hat. Ich bin auch ein Religionslehrer, und zu Beginn meiner Laufbahn hatte ich achtzehn Schüler, jetzt habe ich nur fünf“, sagte Lagger mit verzerrter Miene zur Scientologin.
Mit welchen Methoden arbeitet Lagger gegen neue Religionen? „Die Kampfmittel überlassen sie mir“, sagte Lagger wörtlich in einem Interview und fuhr fort: „Und wenn ich diese Gruppe fertigmachen will, mach‘ ich sie lächerlich. Ja, als lächerliche Idioten würde ich sie hinstellen.“ Auf die Frage, ob er dieses Vorhaben wenigstens mit Objektivität anginge, antwortete er: „Bitte, Objektivität gibt es nicht!“
Abartige Absichten
Die Relation zwischen dem Fanatismus der kirchlichen „Sektenbeauftragen“ und den Problemen innerhalb ihrer eigenen Kirchen ist in einem neuen Buch mit dem Titel „Neue Religionen als Globale Kulturen“ beschrieben. Verfaßt von einem Professorenteam an der Universität von Calgary in Kanada, heißt es im Buch: „Antisekten-Kämpfer erinnern stark an mittelalterliche Kreuzfahrer. Wie jene, die in den Kreuzzügen kämpften, begannen sie damit, das ,Christentum‘ gegen die externe Bedrohung der Mitgliederverluste an rivalisierende religiöse Bewegungen zu verteidigen. Bald jedoch kamen sie in die Offensive und griffen jegliche religiöse Bewegung an, die ihnen ketzerisch erschien.“
Dank an den Minister
Durch die jahrelange Lobby haben die kirchlichen „Sektenbeauftragten“ erfolgreich Angst in der Bevölkerung gegenüber neuen Religionen – gemeinhin als „Sekten“ bezeichnet – erzeugt. Angst, die nun von der Politik gehandhabt werden muß. Schnell haben sich Politiker wie Familienminister Bartenstein und Parteikollege und „ÖVP-Sektenbeauftragter“ Werner Amon dieses Themas angenommen, um nun die Arbeit auf politischer Ebene fortzuführen.
Die kirchlichen „Sektenbeauftragten“ sind jedoch nicht die einzigen, die glücklich darüber sind, daß die Politik nun den Kampf weiterführt. Einige der ranghöchsten kirchlichen Würdenträger sind ebenfalls darüber erfreut.
Die evangelische Kirche Österreichs drückte ihre Dankbarkeit über die Herausgabe der Broschüre des Familienministeriums in einem Schreiben an Bartenstein mit den Worten aus: „Wir sind stolz, daß Sie dieser Haltung eines Protestanten Ausdruck geben und sie unter Beweis stellen.“ Und der St. Pöltner Bischof Kurt Krenn, wünscht dem Minister „viel Erfolg“ und findet, daß es „gut ist, daß sich der Staat jetzt darum kümmert“. Gleichzeitig bedauerte er aber, daß dem Staat „mit dem Verfassungsrecht auf freie Religionsausübung Fesseln angelegt sind“.
Eine Hand wäscht die andere
Fast subtil wirkt es, wenn Bartenstein eine – jährlich 5 Millionen Schilling Steuergelder verschwendende – „Bundesstelle für Sektenfragen“ mit eigenem Gesetz in seinem Ressort einrichtet und ein aktives Mitglied (Dr. German Müller) der bereits erwähnten „Gesellschaft gegen Sekten- und Kultgefahren“ als Geschäftsführer einsetzt. Valentin und der smarte German Müller können sich freuen: über die Jahre hinweg waren sie auf der Suche nach einem Politiker, der ihr Kampfgeschrei fortführt und den Kampf auf politischer Ebene übernimmt. Bartenstein hat nicht nur das getan, sondern der ehemals der Kirche nahestehenden „GSK“ offiziell den Bundesadler zugesprochen, damit diese ihren ideologischen Kampf auf staatlicher Ebene weiterführen kann.
Angst dominiert
Tatsache ist, daß die Mehrzahl der Menschen in Österreich über die Hysterie und Hetze besorgt sind. Tatsache ist aber auch, daß wenige den Mut haben, öffentlich darüber zu sprechen. Zu groß ist die Angst vor persönlichen Nachteilen wie den Verlust der Arbeit oder das Ansehen in der Öffentlichkeit zu verlieren, wenn man ins Visier der Sektenhysterie gerät.
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