n den Jahren vor Hitlers Machtergreifung kam die heftigste Opposition aus der evangelischen und der katholischen Kirche, die sich der Ideologie und den praktischen Auswirkungen des Nationalsozialismus entgegenstellten. Bis zum Jahr 1933 gehörten die katholischen Bischöfe zu den erbittersten Gegnern der Partei.
Aber der Widerstand gegen diese „Irrlehre“, wie sie genannt wurde, währte nicht lange. Angesichts des dominierenden Interesses der Wahrung ihres „Besitzstands“ schwenkten die Kirchen schnell auf den Kurs der neuen Staatsmacht ein. Fest und endgültig besiegelte die katholische Kirche diesen Pakt mit den Nazis im Reichskonkordat vom 20. Juli 1933. Als Gegenleistung für staatliche Unterstützung und die Erhaltung des Status quo - u.a. kirchensteuerbezogene Regelungen aus der Zeit der Weimarer Republik - versprach die oberste Kirchenführung, der nationalsozialistischen Willkür nichts in den Weg zu stellen.
Jetzt legten die katholischen Bischöfe sogar einen Treueschwur auf ihren neuen Führer ab: „Vor Gott und auf die heiligen Evangelien schwöre und verspreche ich, so wie es einem Bischof geziemt, dem Deutschen Reich und dem Lande ... Treue. Ich schwöre und verspreche, die verfassungsmäßig gebildete Regierung zu achten und von meinem Klerus achten zu lassen.“
Auch die vielzitierte Opposition der evangelischen Kirche erschöpfte sich in den mutigen - und keineswegs zu schmälernden - Aktionen einiger weniger Priester und Laien, die dafür oft mit ihrem Leben bezahlen mußten.
Weite Teile des evangelischen Kirchenapparates hingegen wurden zu glühenden Verehrern Hitlers. Die „Deutschen Christen“ (D.C.), das Sammelbecken evangelischer Nationalsozialisten, ernannten den von Hitler im Jahre 1933 ins Amt gesetzten „Reichsbischof“ zu ihrem Schirmherrn. In völliger Perversion der Lehre Jesu Christi verlangten sie auch ein „artgemäßes Christentum“, das die „schöpfungsmäßigen Gegebenheiten“ im Sinne der „nationalsozialistischen Grundlehre von Blut und Boden“ anerkennt. Ferner forderten sie eine „vorbehaltlose“, „positive“ Einstellung zum Führer.
Die evangelische Presse schwadronierte von den Juden als den „natürlichen Feinden“ des Christentums; im Verordnungsblatt der evangelischen Landeskirche in Hessen (12.4.1933) erging an die Pfarrer der Aufruf, beim Hauptgottesdienst des Herrn Reichskanzlers fürbittend zu gedenken und an dessen Geburtstag die kirchlichen Gebäude mit der evangelischen Kirchenfahne zu schmücken.
Schon kurz nach der Machtergreifung hatten die Kirchen jeglichen Blick für die politischen Realitäten und ihre Funktion als Hüter der Moral vollends aufgegeben. Sie taten dies aus einem einzigen Grunde: um ihre eigenen Interessen zu wahren! Der Weg für Judenpogrome und einen Krieg, der weite Teile Europas in Schutt und Asche legte, war geebnet.
Nach dem Ende des Krieges gaben die Alliierten den Deutschen eine neue Verfassung, die Religionsfreiheit garantiert und die Trennung von Kirche und Staat vorsieht. Nichtsdestotrotz blieb das mit den Nazis ausgehandelte finanzielle Arrangement in Kraft.
Das Ergebnis war und ist eine inzestuöse Beziehung, in der die Kirchen von ihrem Geldgeber, dem Staat, abhängig sind.
Welche andere Möglichkeit hätten sie gehabt? Zum Beispiel das Modell, das in den Vereinigten Staaten seit 200 Jahren funktioniert. Vielleicht ist es nicht perfekt, aber die klare Trennung von Kirche und Staat und die Toleranz gegenüber religiöser Vielfalt hat ein Maß an Freiheit hervorgebracht, das ohne historische Parallele ist.
Die deutschen Politiker, die immer noch Minderheiten ausgrenzen, werden nicht müde zu betonen: „Ihr in Amerika seid viel zu tolerant.“ Aber die Trennung von Kirche und Staat hat ihre systemimmanenten Schutzvorrichtungen. Von der US-Regierung werden Religionen weder besteuert noch finanziert. Um zu überleben, sind sie auf die Unterstützung ihrer (zufriedenen) Gläubigen angewiesen.
Günstlingswirtschaft
Wie lukrativ ist das mit den Nazis vertraglich geregelte deutsche Kirchensteuersystem für die etablierten Kirchen?
19 Milliarden DM sammelt der Staat jährlich für die beiden Großkirchen ein - ein System, das einmalig ist in der Welt. Jeder, der nicht aus der Kirche ausgetreten ist, finanziert mit seiner Kirchensteuer die Amtskirchen.
Darüber hinaus zwingt der Staat alle deutschen Bürger - ob Buddhisten, Muslims, Atheisten oder Scientologen -, für die Bezahlung der Bischöfe, den Betrieb der kirchlichen Hochschulen und die Kirchenrestaurierungen aufzukommen. Allein die Militärseelsorge verschlingt jährlich 50 Millionen Mark. Insgesamt belaufen sich die staatlichen Subventionen - über die Kirchensteuer hinaus - auf mindestens 20 Milliarden DM im Jahr.
Der Grundbesitz beider Kirchen wird auf 5000 km2 geschätzt. Damit ist die katholische Kirche der größte, die evangelische der zweitgrößte Großgrundbesitzer nach dem Staat. Der Wert dieses Besitzes wird auf mehr als 400 Milliarden DM veranschlagt.
Den Kirchen gehören Banken, Versicherungen, Bauträgergesellschaften und Verlagshäuser, die ihnen nochmal 15 Milliarden DM im Jahr einbringen. Darüber hinaus besitzen sie Aktienbeteiligungen an 140 Zeitungen und Zeitschriften.
Im Hinblick auf diesen gewaltigen Finanzierungsapparat ist die aktive Rolle der Amtskirchen in der politischen Unterdrückung der Scientology Kirche an Scheinheiligkeit nicht mehr zu überbieten. Insbesondere wenn man bedenkt, daß ihr Hauptvorwurf gegen neue religiöse Gemeinschaften lautet, sie seien „geldgierig“ und würden „Reichtümer anhäufen“.
Wenn jemand in Deutschland das wirklich glaubt, sollte er sich einmal auf folgendes Gedankenspiel einlassen: Die vielen Milliarden DM werden der Scientology Kirche mit der Auflage ausgehändigt, daß sie nicht mehr missionieren und keine Spenden von Mitgliedern annehmen darf. Gleichzeitig wird den Amtskirchen jegliche Finanzierung gestrichen, aber sie dürfen so „geldgierig sein“, wie sie wollen und ohne Einschränkungen auf die deutschen Bürger zugehen und Spenden sammeln. In dem von ihnen geschaffenen Klima der „Religionsfreiheit“ mit einem Tausendstel ihres gegenwärtigen Einkommens auszukommen, dürfte eine interessante Lektion für sie werden.
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