Die dunkle Seite der Demokratie in Europa wird in offiziellen Berichten an den Tag gebracht
er Gedanke, dass jemand in Österreich seinen Arbeitsplatz verlieren bzw. ihm ein Vertragsabschluss verweigert werden könnte, oder er aus einer politischen Partei austreten müsste, vielleicht sein Kind der Schule verwiesen, oder ihm sogar das Sorgerecht für sein Kind genommen würde — allein aufgrund seiner Religionszugehörigkeit — ist verständlicherweise für die meisten von uns abscheulich.
Und doch geschieht genau das — insbesondere von Regierungsseite — im Westen Österreichs und bildet den Kern der Problematik von Religionsfreiheit, die heutzutage in verschiedenen demokratischen Ländern Europas bekämpft wird.
Die jüngste Dokumentation staatlicher Diskriminierung von Minderheitenreligionen in Europa wurde Anfang dieses Jahres vom amerikanischen Aussenamt herausgegeben.
Es handelt sich um den 6.000 Seiten starken Jahresbericht über Menschenrechte, welcher einen umfassenden Einblick in die Thematik weltweit gewährt und den Zustand sowie die Verletzungen von Religionsfreiheit in jedem Land beleuchtet.
Dabei stechen einzelne europäische Länder durch zunehmenden anti-religiösen Extremismus deutlich hervor. Der Bericht gibt die Besorgnis und Missbilligung wieder, die auch in den Dokumenten der Vereinten Nationen sowie der OSZE und der Internationalen Helsinki-Föderation, der Helsinki-Kommission und anderer Organisationen zum Ausdruck kommen.
Das Aussenamt äusserte sich besonders kritisch über die staatliche Diskriminierung in Frankreich, „trage doch die 1996 in diesem Land veröffentlichte schwarze Liste von 173 religiösen Minderheiten zu einer Atmosphäre der Intoleranz und Voreingenommenheit gegenüber Minderheitenreligionen bei“.
Eben diese Verfügung von 1996 empfahl auch die Einrichtung eines staatlichen Büros, das heute unter dem Büro des Premierministers „Sekten bekämpft“, dies im wörtlichen Sinne. Obwohl in Frankreich längst die Trennung von Kirche und Staat proklamiert worden war, hat dieses Büro, unter der Führung des früheren Politikers Alain Vivien, beides, nämlich Staat und Kirche, in einem Masse verschmolzen, dass der französische Staat nun die Farbe militanter Antireligiosität angenommen hat.
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Der französische Extremismus hat bei Menschenrechtsbehörden international die meiste Empörung ausgelöst.
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Es ist Alain Viviens Extremismus, der bei den Menschenrechtsbehörden international die meiste Empörung ausgelöst hat.
Im Juni 2000 richtete die Internationale Helsinki-Föderation (IHF) als die weltweit am meisten anerkannte Menschenrechtsbehörde ein in ihrem Urteil vernichtendes Schreiben an Vivien, der die IHF in Wien beschuldigt hatte, von Sekten unterwandert zu sein, weil die IHF die französische MILS (Interministerielle Mission zur Bekämpfung von Sekten) und seine Agenden verurteilte. Der Leitende Direktor der IHF, Aaron Rhodes, war befremdet ob des Vorwurfs und sagte zu Vivien, er schäme sich für ihn und seine Landsleute für dessen Rückgriff auf Methoden der Denunzierung und des Einschleichens, die uns an jene von totalitären und rückständigen Regimen erinnern. Rhodes klagte an, dass Frankreichs Einstellung zu neuen Religionen „seinen internationalen Verpflichtungen zuwiderlaufe“.
Insbesondere Frankreich zog sich Kritik von seiten der IHF und einer Reihe anderer Menschenrechtsbehörden zu, und zwar für einen Gesetzesentwurf. Dieser sieht vor, Gerichte als auch die Regierung zu ermächtigen, Religionen aufzulösen, und das aufgrund einiger weniger Kriterien, unter Umgehung bestehender Gesetze. In seinem Schreiben an Vivien bezeichnet Rhodes den Vorschlag als repressiv. „Er trifft das Recht der Versammlungsfreiheit, der freien Meinungsäusserung, der freien Religionsausübung und der eigenen Überzeugung im Kern“, stellte er fest und fügte hinzu, dass er auch die Rechte der Minderheiten bedrohe und Vorurteile verkörpere, die mit der Respektierung der Verfassungsrechte nicht vereinbar seien.
Während einer Anhörung über religiöse Intoleranz in Europa im Jahr 1999 warf der Vorsitzende der Kommission für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (Helsinki-Kommission), US-Kongressmitglied Chris Smith, Alain Vivien vor, dieser lehne es ab, mit der Menschenrechtsbeirätin für die Kommission zusammenzutreffen, weil sie angeblich Angehörige einer „gefährlichen Sekte“ sei ... „Alarmglocken läuteten über ganz Washington“, sagte er und schloss, dass es Zeit sei, dass solches ganz oben auf die Liste der Menschenrechtsthemen gesetzt und nicht als eine ausschliesslich von den Franzosen zu regelnde Staatsangelegenheit betrachtet werde.
Viviens Leute beziehen keinerlei Informationen aus Fachkreisen auf dem Gebiet der Religion. Statt dessen wenden sie sich an fragwürdige Quellen wie den Amerikaner Robert Minton, der in einem nigerianischen 6-Milliarden-Dollar-Geldwäschefall eine zentrale Figur verkörpert, welcher zur Zeit in Nigeria und in der Schweiz untersucht wird, und an Jesse Prince, einen Mann, der bereits zehnmal verhaftet wurde und gegen den zur Zeit ein neuerlicher Haftbefehl läuft, um Informationen über Gruppen wie die Scientology Kirche zu erhalten.
Neben dem vorherrschenden Thema der Menschenrechtsgruppierungen über die Zuspitzung des Extremismus in Frankreich beschreibt der Jahresbericht des amerikanischen Aussenamtes auch im Detail, wie französische Beamte ihre eigene Verfassung verletzen, besonders im Hinblick auf die Zeugen Jehovas und die Scientology Kirche.
Das Aussenamt verurteilt auch Menschenrechtsverletzungen in Belgien, wo es trotz in der Verfassung des Landes vorgesehener Religionsfreiheit immer wieder zu dokumentierten Verletzungen — Razzien in Wohnungen und Geschäften von Minderheitenmitgliedern, die sich nichts zuschulden kommen haben lassen, und die Verteilung einer staatlichen Broschüre mit abträglichem Inhalt über eine Reihe von religiösen Gruppen — komme.
Der diesjährige Bericht über Belgien gab die Ergebnisse der Anhörungen wieder, die durch die Helsinki-Kommission im Juni 1999 in Washington D.C. abgehalten wurden, bei welchen der Vorsitzende schloss: „Zeugnisse, die vor dieser Kommission über die letzten zwei Jahre abgelegt wurden, hinterliessen den deutlichen Eindruck steigender Intoleranz gegenüber Religion — allen Religionen — durch viele Regierungen Westeuropas, speziell Frankreichs und Belgiens.“
Strengere Haltung gegenüber Diskriminierung
Der heurige Jahresbericht des Aussenamtes war der siebente Menschenrechtsbericht in Folge, der Deutschland für seine religiöse Diskriminierung verurteilte. Amerika ging speziell auf das Problem der Praxis einiger Beamten ein, europäischen Bürgern nur aufgrund deren Religionszugehörigkeit eine staatliche Anstellung oder vertragliche Beziehungen zu verweigern. Bewerber werden durch einen sogenannten „Sektenfilter“ gesichtet, ein Begriff und eine Massnahme, die ebenso dem Konzept der Chancengleichheit wie dem der Demokratie selbst widerspricht.
Wie das Aussenamt feststellt, „sind ,Sektenfilter‘ Erklärungen von Einzelpersonen, dass sie in keiner Weise mit Scientology verbunden sind. ,Sektenfilter‘ werden von einigen staatlichen Regional- und Bundesämtern ... sowie von anderen Organisationen verwendet, um Scientologen im geschäftlichen und privaten Bereich zu diskriminieren. Sie werden für Mitglieder anderer Gruppen praktisch nicht verwendet“.
Im Mai 2000 stand Deutschland auf der von der US-Handelsvertretung (USTR) erstellten Liste jener Länder, die sich unfairer Handelspraktiken gegenüber US-Firmen bedienten. Aufgrund der Verwendung des sogenannten „Sektenfilters“ war Deutschland eines von sechs Ländern, die „diskriminierende staatliche Beschaffungspraktiken“ übten.
Der Bericht der USTR stellt eine bedeutende Verschärfung des US-Standpunktes gegen religiöse Diskriminierung in Deutschland dar. Obwohl das Aussenamt die staatliche religiöse Diskriminierung gegen Scientologen seit 1993 in jedem Menschenrechtsbericht über Deutschland verurteilt hat, ist die Intervention der USTR ein erster Schritt über diese Verurteilung hinaus. Ihr Bericht teilt die Sichtweise der amerikanischen Regierung, dass solche Praktiken den Handel Amerikas bedrohen, und kann demnach einen dämpfenden Effekt auf die Handelsbeziehungen mit Deutschland ausüben und zu Untersuchungen und Handelssanktionen durch die Welthandelsorganisation (WTO) führen.
Die Berichte des Aussenamtes und der USTR haben die Zahl massgebender Verurteilungen der deutschen Regierung wegen religiöser Diskriminierung auf 26 erhöht. Andere Institutionen, die die undemokratischen Massnahmen und Taktiken Deutschlands getadelt haben, sind das Menschenrechtskomitee der Vereinten Nationen, das Menschenrechtszentrum der Universität von Essex, die Internationale Helsinki-Föderation, die Helsinki-Kommission und ein Komitee, das aus gegebenem Anlass aus Mitgliedern des britischen Oberhauses und angesehenen Gelehrten gebildet worden war.
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