n den vergangenen Jahren wurden in vielen europäischen Staaten auf höchster politischer Ebene heftige Diskussionen über das Verhältnis zwischen Staat und Religion geführt. Die Meinungen darüber waren gespalten. Religion beißt sich mit Demokratie, meinen die einen. Religion ist eine Bereicherung und Chance für die Demokratie, meinen die anderen.
Bereits 1999 hat der Europarat in seiner an die Länder der EU gerichteten Empfehlung 1396 („Religion und Demokratie“.) einen wertvollen Beitrag zu dieser Diskussion geleistet.
Einleitend führt die parlamentarische Versammlung des Europarats aus, dass sie sich sehr wohl der Tatsache bewusst sei, dass das Verhältnis zwischen religiösen Ausdrucksformen und politischer Macht auch in einer Demokratie von einem Spannungsfeld bestimmt werde.
Mit Hinblick auf die Europäische Konvention für Menschenrechte ruft der Europarat in seiner Empfehlung aber in Erinnerung, dass Religionsfragen keine politischen Fragen seien. Politiker und Staatsmänner hätten vielmehr die Pflicht, die Freiheit der Religion und der Religionsausübung zu sichern und sich nicht in religiöse Belange einzumischen. Umgekehrt müssten auch alle Religionsgemeinschaften den Menschenrechtsbegriff respektieren. Ausdrücklich wies der Europarat auf die Pflicht demokratischer Politiker hin, zu verhindern, dass eine ganze Religion mit den Taten einzelner Fanatiker oder Minderheiten gleichgesetzt wird.
Am 19. September 2001 begrüßte der Ministerrat (Gremium der Außenminister der EU-Länder) diese Empfehlungen in einer offiziellen Stellungnahme und folgte ihr in allen wesentlichen Punkten, ein gerade mit Blick auf die extremistischen Anschläge in den USA richtungsweisender Vorgang.
Die auch von deutscher Seite getragene Zustimmung bezeichnet religiösen Pluralismus als „innewohnendes Merkmal der Idee von einer demokratischen Gesellschaft“ und bekräftigt erneut den unveräußerlichen Wert der Religionsfreiheit als grundlegendes Menschenrecht, dessen Beschränkung sich nur aus dem Strafrecht ergeben dürfe und selbst dann müsse die Unschuldsvermutung oberstes Gebot sein.
Der Ministerrat unterstreicht auch die Bedeutung des staatlichen Diskriminierungsverbots in diesem Zusammenhang und betont, dass die unterschiedliche Behandlung von Menschen allein wegen ihrer Religionszugehörigkeit inakzeptabel sei.
Der Staat habe auch, so die Außenminister der EU-Länder, „danach zu streben, dass sich die verschiedenen Gruppen gegenseitig respektieren“.
Als Ergebnis ihrer Überlegungen konstatieren die Mitglieder des Ministerrats, dass „Regierungsbehörden sich nicht in die Religionsfreiheit einmischen oder religiösen Pluralismus gefährden dürfen“. Die Mitgliedstaaten „tragen Verantwortung für die Sicherstellung von Verhältnissen, die dem Erhalt harmonischer Beziehungen zwischen Religionen als solchen und zwischen ihnen und anderen Teilen der Gesellschaft dienen ... Diese Verantwortung kann mit sich bringen, dass bestimmte Maßnahmen ergriffen werden, um mit Hilfe der Medien oder von Vereinigungen oder mit anderen Mitteln für Toleranz zu werben und den interreligiösen Dialog zu fördern. Sie kann auch Maßnahmen rechtfertigen, die dem Schutz der religiösen Gefühle eines Teils der Bevölkerung gegenüber bösartigen Angriffen durch Personen anderen Glaubens dienen.“
Die deutsche Bundesregierung hat damit klar Stellung bezogen und den pauschalen Angriffen gegen religiöse Minderheiten in der Politik auch glaubhaft eine Absage erteilt.
Jetzt müssen den Erklärungen Taten folgen. Es bleibt zu hoffen, dass die langjährigen Bemühungen des Bundesinnenministeriums, ein Anti-Diskriminierungsgesetz vorzulegen, in naher Zukunft Früchte tragen werden.
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