anche Fehler zuzugeben, fällt nicht leicht. Die Entscheidung der Innenminister vom Juni 1997, die Scientology Kirche und ihre Mitglieder zu „überwachen“, war so ein Fehler. Der Beschluß war nicht einfach nur verfassungswidrig, sondern Auftakt zu einer beispiellosen Diskriminierungswelle gegen unbescholtene Bürger.

      Forciert wurde das nur vorgeblich verfassungsschützerische Arbeitsbeschaffungsprogramm hauptsächlich vom bayerischen Innenminister Günther Beckstein und seinem baden-württembergischen Kollegen Thomas Schäuble – die beide nach wie vor der Meinung sind, daß ein einmal eingeschlagener Irrweg auch konsequent weitergegangen werden muß.

      Ganz anders zum Beispiel Nordrhein-Westfalen: Der dort bis vor kurzem tätige Verfassungsschutzchef Dr. Fritz-Achim Baumann war 1997 noch ein Befürworter der Überwachung. Im September 1999, nach zweijähriger Beobachtung, regte er öffentlich ihre Einstellung an, weil Scientology laut Beweislage „kein Fall für die Schlapphüte“ sei, wie der „stern“ titelte.

      Die Innenministerien in Baden-Württemberg und Bayern reagierten beleidigt. Das überrascht allerdings wenig, wenn man weiß, daß dort unangenehme Tatsachen in der Regel sofort im Säurebad der politischen Zweckdienlichkeit ertränkt werden – und das nicht nur, wenn es um Scientology geht. Begriffe wie Religionsfreiheit oder religiöser Pluralismus können Verfassungsschützer im Süden der Republik sehr schnell aus der (Ver)Fassung bringen. Umgekehrt werden selbst eklatant falsche Berichte über Minderheitsreligionen in Bayern und Baden-Württemberg sofort in Granit gemeißelt, mit einem staatlichen Gütesiegel versehen und demagogisch im Zuge einer Diskriminierungspolitik eingesetzt, die aus dem 16. Jahrhundert stammen könnte.

      Noch am 23. September 1999 erklärte die Europäische Union gemeinschaftlich: „In Angelegenheiten der Religion, der Überzeugung und des Gewissens darf vom Staat nicht eingegriffen werden. Diese sind nur dem eigenen Gewissen unterworfen. Es kommt dem Staat nicht zu, über religiöse Wahrheiten ein Urteil abzugeben, vielmehr soll er Toleranz fördern ...“

      Minister Günther Beckstein hingegen sieht „überall den Teufel“, wie Baumann gegenüber dem „stern“ ebenfalls freimütig bekundete. Die Tatsachen sieht Beckstein nicht: Mehr als 160 behördliche Untersuchungen und Ermittlungsverfahren mußte die Scientology Kirche über sich ergehen lassen. Nicht ein einziges Mal wurden dabei strafrechtlich relevante Tatbestände festgestellt.

      Nicht besser sieht es mit der mehrjährigen Überwachung aus, die nur eines erbracht hat: jede Menge Kritik von Menschenrechtsorganisationen und die Erhärtung des Verdachts, daß die vorgeblichen Beschützer der Verfassung möglicherweise selbst zu ihren ärgsten Feinden zählen.

      Die oben abgebildete Broschüre soll interessierten Bürgern einen kleinen, aber dennoch bezeichnenden Einblick in die Welt eines Amtes geben, das entgegen seinem ursprünglichen Auftrag auf dem besten Weg ist, sich zur geheimen Leibgarde rein zweckpolitischer Interessen zu entwickeln.